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Regulationsmechanismus bei Muskelschwund im Kindesalter aufgeklärt

Regulationsmechanismus bei Muskelschwund im Kindesalter aufgeklärt - 27.11.2007

Ute Missel, Öffentlichkeitsarbeit (Pressestelle)
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
27.11.2007
Tödlich verlaufende Erbkrankheiten, die schon Kleinkinder treffen, sind vergleichsweise selten. Die häufigste genetische Ursache für den Tod im frühen Kindesalter ist gegenwärtig die spinale muskuläre Atrophie, ein neurologisch bedingter fortschreitender Muskelschwund. Wie der entscheidende Fehler beim Ablesen und Zusammenfügen der Erbinformation, der zum Absterben motorischer Nervenzellen führt, verändert werden kann, hat nun die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Stefan Stamm am Institut für Biochemie der Universität Erlangen-Nürnberg entdeckt. Die Ergebnisse erklären den molekularen Wirkungsmechanismus mehrerer Substanzen, die gegenwärtig für den Einsatz gegen die Erkrankung getestet werden, und erlauben jetzt deren gezielte Verbesserung.
Wenn es im Rückenmark immer weniger funktionsfähige motorische Nervenzellen gibt, werden die Impulse vom Gehirn nicht mehr an die Muskeln weitergeleitet. Die zunächst nicht erkrankten Muskelfasern werden schwächer, weil sie nicht aktiviert werden; sie können sich nicht richtig zusammenziehen, und die Muskelsubstanz nimmt ab. Kinder, die mit spinaler muskulärer Atrophie (SMA) geboren werden, lernen im schlimmsten Fall nicht, den Kopf frei zu halten oder frei zu sitzen, und sterben in den ersten zwei bis drei Jahren aufgrund von Atemschwäche. Eine weniger aggressive Form der SMA führt zum Verlust bereits erworbener motorischer Fähigkeiten innerhalb der ersten Lebensjahre, zu Verkrümmungen von Wirbelsäule und Brustkorb und einer stark verkürzten Lebenserwartung.

Erbkrankheiten wie die SMA sind auf Fehler in der DNA, dem molekularen Träger der Erbinformation, zurückzuführen. Die Erbinformation wird über eine Zwischenstufe ausgelesen, die als RNA bezeichnet wird. Aus einem einzigen Stück Erbsubstanz werden in der Regel mehrere RNA-Zwischenstufen gebildet, weil die RNA auf verschiedene Art und Weise zusammengefügt wird, ein Vorgang, der als alternatives Spleißen bezeichnet wird. Die genaue Art des Zusammenfügens wird von Zellen je nach Bedarf verändert, was es einem Organismus erlaubt, das Auslesen der Erbinformation an Veränderungen in der Umwelt anzupassen. Der molekulare Mechanismus hierfür ist jedoch weitgehend unklar.

Doppelgänger mit Fehlern
Nun haben Stefan Stamm, Professor für Biochemie und Medizinische Molekularbiologie in Erlangen, und seine Arbeitsgruppe herausgefunden, dass ein gut untersuchtes Signalmolekül, Protein Phosphatase 1, das molekulare Bindeglied zwischen Zellsignalen und dem alternativen Zusammenfügen der Erbsubstanz ist. Spinale muskuläre Atrophie wird durch den Verlust des SMN1 Genes verursacht. Es gibt allerdings ein fast identisches Gen, SMN2, dessen Zwischenstufe jedoch "falsch" zusammengefügt wird. Eine Korrektur dieses fehlerhaften Zusammenfügens,
d. h. eine Veränderung von alternativem Spleißen ist die Grundlage einer möglichen Therapie der spinalen muskulären Atrophie. Die Forscher konnten zeigen, dass eine Blockierung von Protein Phosphatase 1 das Zusammenfügen der Erbinformation in gewünschter Weise verändert.

Die Untersuchungen wurden von einem internationalem Team durchgeführt, an dem Forschungsgruppen aus Deutschland (Erlangen), USA (Lexington, KY; Columbus, OH), Spanien (Barcelona), Belgien (Leuven) und Frankreich (Paris) beteiligt waren. Die families of SMA, die Europäische Union, die Deutsche Krebshilfe, das Bundesministerium für Bildung und Forschung und die National Institutes of Health (NIH), USA, finanzierten die Forschungsarbeiten. Der Ergebnisbericht wurde im Oktober 2007 in dem führenden Journal "Human Molecular Genetics" publiziert.

Die Universität Erlangen-Nürnberg, gegründet 1743, ist mit 26.200 Studierenden, 83 Instituten, 550 Professoren und 2000 wissenschaftlichen Mitarbeitern die größte Universität in Nordbayern. Ihre Schwerpunkte in Forschung und Lehre liegen an den Schnittstellen von Naturwissenschaften, Technik und Medizin in enger Verknüpfung mit Jura, Theologie, Geistes-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften.

Weitere Informationen für die Medien:

Prof. Dr. Stefan Stamm
Professur für Biochemie und Medizinische Molekularbiologie

Tel.: 09131/85-24622

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URL dieser Pressemitteilung: www.idw-online.de/pages/de/news237536